
Weltweit wird von der Pharmaindustrie heute doppelt so viel Geld im Kampf gegen Haarausfall oder Potenzverlust eingesetzt wie gegen Malaria, Gelbsucht und Bilharziose zusammen.
Der Grund ist einfach: Der Markt für Potenzmittel ist um einiges lukrativer als jener, in dem sich die ärmsten Menschen dieser Welt durchs Leben quälen. Bei allem Respekt gegenüber dem guten Willen, gegenüber jedem Rappen den man gutmütig den Malariagefährdeten Menschen zu schenken glaubt: Das Radio- und Fernsehen-Theaterstück frisst schon mal einen Teil der Spenden weg und geholfen wird letztlich vor allem der Pharmaindustrie, von der bis Ende der einwöchigen Aktion kein einziger Rappen kommen wird.
Und was bei der brutal herzergreifenden Spendenwut aller Promis, die plötzlich irgendeinen persönlichen Bezug zu Malaria zu haben scheinen, gerne vergessen wird: Es gibt in der Schweiz einige ungeklärte, mindestens ebenso schlimme Krankheiten, die einer Spende bedürften. Cystische Fibrose zum Beispiel, eine Fehlfunktion der Lunge, an der in der Schweiz Tausende von Menschen leiden. Oder Ciliäre Dyskinesie. Schon mal gehört? Klingt halt nicht so schick wie "Malaria". An dieser Fehlanordnung von Organen leiden im deutschsprachigen Raum rund 10'000 Menschen. Die Lebenserwartung bei beiden Krankheiten liegt bei etwas über 40 Jahren, die Medikamente kosten ein Vermögen und das Leben der Betroffenen und deren Angehörigen ist ein Leben lang eingeschränkt.
Es geht nicht darum, die gut gemeinte Aktion wie "Jeder Rappen zählt" schlechtzureden. Es geht nur darum, den bedürftigen Nachbarn nicht zu vergessen, dem eine Direktzahlung zu 100% zu Gute käme. Für viele dieser Menschen stimmt die Aussage "Jeder Rappen zählt" genau so. Aus deren Betrachtungswinkel ist der (zu) gross angelegte Spendenaufruf fast schon ein Schlag ins Gesicht - denn viele Spender sehen in der 20er-Note, die sie dem Nik Hartmann für einen Musikwunsch durch den Spenderschlitz stecken, ihre Schuld für diese Weihnachten als getan.
Und aus meiner ganz persönlichen Sichtweise fängt jeder Rappen der künstlich zum Hauptereignis hochgejubelt wird, unter all diesen Gesichtspunkten sogar langsam an zu nerven.