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ichts gegen endlose Solidaritätsbezeugungen für Minderheiten oder gegen Ungerechtigkeiten. Nichts gegen die Rettung der Menschheit vor sämtlichen Krankheiten - auch wenn noch unklar ist, wo wir die alle hin täten. Doch bei monstermässig inszenierten Sammelaktionen wie sie derzeit das Schweizer Staatsmedium mit "Jeder Rappen zählt" an den Tag legt, bleibt unweigerlich eine gehörige Portion Nebengeschmack. Hauptprofiteur der Aktion sind nämlich nicht die Menschen in Afrika, sondern die Pharmaindustrie.
Ok, Malaria ist eine schlimme Krankheit. Mein Vater hatte sie als er noch Kind war und nach dem Verabreichen der Medikamente durchlebte auch er noch zwei Wochen lang die Hölle. Dass man den Menschen Zugang zu den Medikamenten verschaffen will ist eine gut gemeinte Aktion. Sobald ein Spendenmarathon aber im grossen Rahmen veranstaltet wird, steigt ebenso die Anzahl derer, welche von diesen Geldern was abhaben wollen. Das fängt im Fall von "Jeder Rappen zählt" an bei der Lizenz des Sendeformats, die man den Holländern abgekauft hatte; geht über Bauten und technische Einrichtungen auf dem Bundeshausplatz, die man nicht für reine Herzensgüte geschenkt bekommt; bis hin zu den Salären und Entschädigungen der Promi-Moderatoren, die sich auf Knopfdruck gut gelaunt, während einer Woche in einem Glashaus in Bern einsperren lassen. Grösster Profiteur der Aktion ist allerdings eine ganz andere: die Pharmaindustrie. Pharmaindustrie notabene, die ihrerseits für die Forschung nach Malaria-Medis kaum Mittel einsetzt.
Weltweit wird von der Pharmaindustrie heute doppelt so viel Geld im Kampf gegen Haarausfall oder Potenzverlust eingesetzt wie gegen Malaria, Gelbsucht und Bilharziose zusammen. Der Grund ist einfach: Der Markt für Potenzmittel ist um einiges lukrativer als jener, in dem sich die ärmsten Menschen dieser Welt durchs Leben quälen. Bei allem Respekt gegenüber dem guten Willen, gegenüber jedem Rappen den man gutmütig den Malariagefährdeten Menschen zu schenken glaubt: Das Radio- und Fernsehen-Theaterstück frisst schon mal einen Teil der Spenden weg und geholfen wird letztlich vor allem der Pharmaindustrie, von der bis Ende der einwöchigen Aktion kein einziger Rappen kommen wird.
Und was bei der brutal herzergreifenden Spendenwut aller Promis, die plötzlich irgendeinen persönlichen Bezug zu Malaria zu haben scheinen, gerne vergessen wird: Es gibt in der Schweiz einige ungeklärte, mindestens ebenso schlimme Krankheiten, die einer Spende bedürften. Cystische Fibrose zum Beispiel, eine Fehlfunktion der Lunge, an der in der Schweiz Tausende von Menschen leiden. Oder Ciliäre Dyskinesie. Schon mal gehört? Klingt halt nicht so schick wie "Malaria". An dieser Fehlanordnung von Organen leiden im deutschsprachigen Raum rund 10'000 Menschen. Die Lebenserwartung bei beiden Krankheiten liegt bei etwas über 40 Jahren, die Medikamente kosten ein Vermögen und das Leben der Betroffenen und deren Angehörigen ist ein Leben lang eingeschränkt.
Es geht nicht darum, die gut gemeinte Aktion wie "Jeder Rappen zählt" schlechtzureden. Es geht nur darum, den bedürftigen Nachbarn nicht zu vergessen, dem eine Direktzahlung zu 100% zu Gute käme. Für viele dieser Menschen stimmt die Aussage "Jeder Rappen zählt" genau so. Aus deren Betrachtungswinkel ist der (zu) gross angelegte Spendenaufruf fast schon ein Schlag ins Gesicht - denn viele Spender sehen in der 20er-Note, die sie dem Nik Hartmann für einen Musikwunsch durch den Spenderschlitz stecken, ihre Schuld für diese Weihnachten als getan.
Und aus meiner ganz persönlichen Sichtweise fängt jeder Rappen der künstlich zum Hauptereignis hochgejubelt wird, unter all diesen Gesichtspunkten sogar langsam an zu nerven.