Über die Leere der VielfaltDie Zahl kostenloser Pendlerzeitungen ist in der Schweiz auf mittlerweile 5 angestiegen, leider hat die Qualität des Geschriebenen im Vergleich dazu aber diametral abgenommen. Dabei wäre anzunehmen gewesen, dass mehr Konkurrenz auch mehr Qualität bedeutet. Nicht die Schreibfehler - etwa in "20 Minuten" - ärgern in dieser Fülle von Medien, vielmehr ist es der Stil, das Wegschicken des Lesers mit immer gleichen Phrasen. Die Gratis-Zeitungen übertreffen sich im Veröffentlichen leerer Inhalte, Agenturmeldungen werden hier wie da unredigiert publiziert, höchstens aus Platzgründen werden unnötige Bindewörter weggelassen.
Natürlich ist diese Art der Information teilweise gewollt. Man will den Leser dazu bringen sich im Internet oder am Fernseher weiter zu informieren. Man ist geneigt zu sagen, wer stilistisch was angeboten haben will, muss sich eine Zeitung
kaufen. Eine der drei Tageszeitungen mit Hauptsitzen in Zürich, zum Beispiel. Doch auch hier sieht man sich der Einfallslosigkeit und dem Phänomen des Sparens ausgesetzt. Korrektoren-Stellen werden gestrichen, Agenturmeldungen allenfalls umgeschrieben und mit einem eigenen Kürzel versehen. Das Resultat ist eine Art Einheitsbrei, die Zeitungen unterscheiden sich kaum mehr voneinander und der Leser wird gezwungen, sich mit Simplizität abzufinden. Natürlich kann der x-te Unfall nicht jedes mal redaktionell zum literarischen Hochgenuss verarbeitet werden. Doch schon nur ein bisschen mehr Fantasie, oder wenigstens der gespürte Wille, dass sich Autoren von allen anderen auch noch auf Seite 32 unterscheiden, oder sich sogar abheben zu wollen, ist höchstens noch in Kommentaren zu beobachten, alles andere wirkt abgeschrieben.
Diese Art der Information ist derweil nicht nur in den Printmedien zu beobachten. Auch die radiophonen und televisiven Auftritte der grossen Medienhäuser gleichen einander und beschränken sich immer mehr auf Oberflächlichkeit. Wer in einer Zeitung etwas angelesen hat und sich weiter informieren möchte, erhält audiovisuell das Immergleiche vorgesetzt.
Hatten Medien und besonders Zeitungen in früheren Jahren die Macht, den Leser in Sachen Stilistik etwas zu lehren, lassen die Tagesmedien heute ihre Konsumenten quasi verblöden. Die wenigsten Menschen leisten sich heute vertieftes Wissen aus dem "GEO". Die knappe Meldung reicht ihnen und man ist auch gar nicht gezwungen alles zu verstehen. Daraus lässt sich schliessen, die heutige Medienlandschaft richte sich ja nur nach dem Konsumverhalten. Dies ist aber eine trügerische Annahme.
Dem Leser wurden so lange leere Meldungen in Deutsch aus der Konservendose serviert, dass er sich schlicht daran gewöhnt hat. Es ist sogar eine Art Verarmung der eigenen Sprache festzustellen, wie schon Dr. Horst Hensel in einem Referat an der Bubenberg-Gesellschaft in Bern vor ein paar Jahren feststellte: " Sprache wird dann nur noch als primitives, fehlerhaftes Kommunikationswerkzeug gebraucht."
Der Trend zur Oberflächlichkeit ist auch in Form sinkender Verkaufs- und Abonnentenzahlen der kostenpflichtigen Zeitungen festzustellen. Und anscheinend ist diese Umgewöhnung des Lesers auch gewollt. Bedeuteten einst wenige Prozente Rückgang unweigerlich die Entlassung der halben Redaktion, frohlockte zum Beispiel der "Walliser Bote" in seiner ersten Aufgabe dieses Jahres, dass 80% der Abonnenten gehalten werden konnten, was weit über dem nationalen Durchschnitt läge. Man sei zuversichtlich, dass auch die Aufschaltung des lokalen Fernsehens und dem Ausbau des Internetauftritts nichts an diesem positiven (!) Trend ändern werde.
Wo ist Qualität zu finden?Qualität kostet. Weil Verlagshäuser nicht mehr primär auf diese achtet, sondern sich steigenden (Werbe-)Umsatzzahlen verpflichtet sieht, müssen andere einspringen. Zum Beispiel Blogs. In keinem anderen Medium kann davon ausgegangen werden, dass der Autor deshalb schreibt, weil er Spass daran hat. Meldungen sind nicht einfach nur hintereinander gestellte Worte, sondern Geschichten und Erlebnisse, begleitet vom persönlichen Interesse, etwa eines Fussball-Fans, oder eines Technik-Freaks. Ein einzelner Blog behandelt in der Regel nicht die ganze Wissensvielfalt, sondern konzentriert und vertieft sich auf ein bestimmtes Thema. Angesprochen werden damit natürlich nicht Menschen, denen eine 60sekündige Zusammenfassung des Tages reicht. Als aktiver Leser wird man gezwungen, sich die Blogs auszusuchen, bei der Auswahl mitzdenken. Nirgendwo schneller als in der Bloglandschaft verschwinden Leser, wenn der Inhalt - Sprich: die Qualität - nicht stimmt. Und deshalb, so lässt sich logisch weiterführen, sind Blogs auch die Anlaufstelle für professionelles Wissen und themenbezogenes Diskutieren, denn im Gegensatz zu den Print-Medien, sind Kommentare in den Blogs erwünscht.
Und damit schliesst sich der Kreis: Auch wenn nur wenige Journalisten Blogger gleichwertig behandeln wollen, so ergänzen diese einander. Erst die Ausweichmöglichkeit ‚Blog' erlaubt es einer traditionellen Redaktion, sich auf die wesentlichsten Meldungen zu Beschränken. Beim derzeitigen finanziellen Druck, der besonders den Print-Verlagen - sagen wir mal: die künstlerische Freiheit raubt, können diese dem Stil, dem Engagement und der Liebe zum geschriebenen Wort gar nicht mehr gerecht werden. Die Qualität hängt an einem seidenen Faden. Blogs sind eine Möglichkeit, diese zu Retten und die Spreu vom Weizen zu trennen - oder die Oberflächlichkeit vom engagierten Informieren. Die Zukunft wird hoffentlich auch hier eine natürliche Aussortierung bringen. Billige Zeitungen verschwinden, gute Blogs bleiben. Hoffentlich.