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Montag, 25. Januar 2010

Wir, die Dummen

Aha! In einer aktuellen Vox-Studie von gfs.bern, hat man aufgrund von 1008 Telefonanrufen herausgefunden, dass das "Ja" zur Anti-Minarett-Initiative eigentlich von der dummen Bevölkerungsschicht zu verantworten ist und sich die Stimmung nicht gegen die Minarette oder gegen Muslime richtet, sondern Ausdruck der Angst vor dem Islam sei. Die Intellektuellen sind tolerant und weltoffen - wir, die dummen sind Schuld am Debakel.

Vorauszuschicken ist, dass die Umfrage vom selben Institut durchgeführt wurde, das vor der Abstimmung eine klare Ablehnung der Initiative prognostiziert hatte. Damals wie heute wird die Richtigkeit der Angaben von den Zeitungen vorbehaltlos übernommen. Weshalb gerade die jetzige Umfrage mehr Wahrheitsgehalt haben soll, weiss niemand genau. Wieder wird die "repräsentative Studie", die unter einem Promilleanteil der Stimmbevölkerung durchgeführt wurde, in sämtlichen in- und ausländischen Medien als umfassende Nachbetrachtung veröffentlicht. Das führt mich unweigerlich zur Frage, die ich mir in solchen Fällen immer wieder stelle: Sind Zeitungen noch in irgend einer Weise glaubhaft? Oder wird einfach nur noch blind zusammenkopiert, was in irgend einer Agentur aufgeschrieben wird?

Bild: Claude Longchamp, Meinungsforscher von gfs.bern. Am 23. Oktober 2009 gibt er der Initiative im Interview mit der Tagesschau keine Chance: "es ist gelaufen", 53% sagen nein, nur 34% ja - er hat sich massiv geirrt.

Man möchte fast sagen: Ein Glück, wer den Pressestatus besitzt, der kann Bockmist schreiben soviel er will und die Menschen glauben es". Meinungsbildung nennt man das. Noch immer besitzt die Zeitung, den Status der "Vierten Macht", wie es in meinem alten Staatskundebuch noch drin steht. Dass eine Umfrage von einem Institut, das in seinen Prognosen immer wieder brutal daneben liegt, als bare Münze übernommen wird, unterstreicht den Verlust der Glaubwürdigkeit der Presse. Ein interessantes Szenario habe ich in diesem Zusammenhang letzte Woche bei der Landung des A380 in Zürich beobachtet. Die Medien haben nicht kritisch oder gar investigativ über das neue Flugzeug berichtet, sondern in ihren Zeitungen die vorgefertigten Häppchen weiter gegeben, die zusammen mit dem Apéro grosszügigerweise bereitgestellt wurden. Da waren nicht wenige Journalisten, die haben das Pressezelt keine Sekunde verlassen. Würde in der Pressemappe drin stehen, das Flugzeug sei pink- die hätten das so abgeschrieben.

Die Frage ist: Wie lange geht das noch gut? Sind die schwindenden Abonnentenzahlen, der Einbruch im Inseratevolumen von 20%, die immer dünner werdende Presselandschaft nicht ein Indiz dafür, dass der dumme Mittelstand mit Lehrabschluss sich doch nicht für so dumm verkaufen lässt? Ich habe noch mehr Fragen: Was will uns die Vox-Studie genau sagen, ausser einmal mehr, dass der Volksentscheid falsch war. Und wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass gerade aufgrund der Sofortverbreitung durch die Medien, ein schlauer Zeitgenosse so eine Studie nicht ganz einfach manipuliert? Schliesslich hat man einen "Schaden" zu beheben, der die Abstimmung verursacht hat.

Für mich ist klar: Die Vox-Studie ist weniger Wert als das Zeitungspapier auf dem sie veröffentlicht wurde und die intellektuelle Schicht hinterfragt das Resultat keine Sekunde. Die Tatsache, dass kritische Fragen dagegen von einem Dummen mit Lehrabschluss gestellt werden, sollte der Elite doch zu Denken geben...

Mittwoch, 16. Dezember 2009

Die Satire bringt's auf den Punkt...

Man kann in eine Statistik - und ein Abstimmungsresultat ist ja eigentlich nichts anderes - ja jede Menge hinein interpretieren. Die einen erkennen bei der Minarett-Abstimmung blanker Fremdenhass, die anderen glauben zu wissen die Abstimmung sei viel mehr als eine Turm-Ja-Oder-Nein-Frage gewesen und stellen - je nach Standpunkt - auch Burka und Glockengeläut infrage. Die schnelle Gratispresse interpretierte unlängst die Gruppenstärke von "Ich schäme mich für das Resultat der Minarett-Initiative" als ganz klares Zeichen, dass sich das Volk geirrt hat, was Alt Bundestart Couchepin vorbehaltlos als seine Meinung übernommen hat. Umgekehrt verstehen sich rechte Kreise dazu berufen, die (noch) kleinere Gruppe "Ich schäme mich NICHT für das Resultat der Minarett-Initiative" als Indiz zu werten, jeder nichtreine Schweizer sei grundsätzlich per Volksinitiative von einem Recht abzuhalten.

Das Ganze nimmt irgendwie dämliche Verhältnisse an. Fas 250 verschiedene Facebook-Gruppen sind seit der Abstimmung entstanden - einige davon witzeln mit dem Thema herum, andere gründen Gruppen, weil eine bestimmte Ideologie noch fehlt. Und noch einmal andere - wohl die meisten - gründen, weil man auch eine Gruppe gegründet haben will, welcher Tausende von User beitreten wollen... aber es dann nicht tun, weil es gibt auch eine Gruppe, die alle anderen Gruppen relativiert und Minarettgruppen auf Facebook einfach doof findet. Am besten geht aber immer noch die Satire mit der ganzen Sache um: Das Zitat des Jahrhunderts liess Mike Müller in der Sendung "Giacobbo/Müller" über den Sender laufen:

"Es gab natürlich Reaktionen auf der ganzen Welt. In Saudi Arabien wollten sie sogar christliche Kirchen anzünden ... aber sie haben dann ... leider keine gefunden"

Ich schmeiss mich weg. Das war für mich der emotionale Höhepunkt und gleichzeitiger Abschluss der Minarett-Diskussion. Emotionen sind - wie es die NZZ am Sonntag schrieb - eine kurzlebige Erscheinung, sie werden dem Diskurs einer viel kleineren Gruppe weichen - oder der Gleichgültigkeit, wie ich anfügen möchte.

Link zur Sendung: Giacobbo/Müller, übrigens eine der besten Sendungen seit deren Erfindung!

Dienstag, 1. Dezember 2009

«Sie haben keine Ahnung»

In einigen Kommentaren hier im Blog, aber auch via Facebook, wurde mir nach dem gestrigen Artikel in unsanften Worten nahegelegt die Klappe zu halten, denn ich hätte keine Ahnung. Was aus Frust geschah und nur eine Art des Umgangs mit der Niederlage sein könnte, gibt mir dennoch Anlass, darüber nachzudenken. Habe ich eine Ahnung? Was genau ist ein Minarett? Was bedeutet «Shari'a» und was war noch mal mit diesem Mekka? Nach nur kurzer Zeit steht fest, das Stimmvolk hatte tatsächlich schlicht keine Ahnung. Bezüglich Vorlagentext, Inhalt der Initiative, Grundwissen, Auswirkungen und Rechtsverbindlichkeit. Doch das ist nicht deren Schuld.

Ein paar Beispiele: Ein Leser behauptet, dass Gebetsrufe durch die Annahme der Initiative verboten worden sind. Das stimmt so nicht. Grundsätzlich wurden diese durch das Abstimmungsresultat "nur" zusätzlich verhindert - verboten waren sie davor schon. Immer wieder werden Kirchentürme mit Minaretten verglichen. Genau betrachtet ist es aber das Kruzifix, das der Bedeutung eines Minaretts am ehesten entspricht. Weiter sind katholische Gotteshäuser fast überall auf der Welt erlaubt - Jesuskreuze dagegen werden in nur ganz wenigen muslimischen Staaten toleriert - weiss kaum jemand. Ebenfalls beachtet werden sollte, dass das Verbot von Minaretten nicht als «Rassismus in seiner reinsten Form» bezeichnet werden darf, wie das beispielsweise der Arzt und Ex-Mister Schweiz Adel Abdel-Latif gegenüber dem Tagesanzeiger tat- der Islam ist nämlich keine Rasse und auch nicht an eine solche gebunden.

Spitzfindigkeiten? Mag sein. Es sind nur einige von vielen Details, die bei der Berichterstattung und der sich daraus ergebenden Meinung nicht so genau genommen wurden. Irgendwer sagte mal irgendwo, Minarette seien wie Raketen. Ein anderer behauptete, alles um das Minarett gehöre dem Islam und wenn man ja sage, sei die Schweiz islamisch. Wortfetzen, zugegebenermassen aus dem Zusammenhang gerissen und meistens so nicht richtig - aber sie beeinflussen die Meinung der Bürger. Ich kann mir gut vorstellen, dass viele Menschen das Abstimmungsmaterial vor einem Monat ausgepackt und die Frage gelesen haben. Sie dachten sich: «Ja da habe ich was davon gehört, Raketen und so - will ich nicht, also ja zum Verbot» - Verflucht sei die Demokratie, bei der auch Unwissende gefragt werden!

Diese Art von Fehlinformation - um nicht zu sagen Volksmanipulation - kommen dabei nicht nur von den Medien für die Quoten wichtiger sind als Aufklärung. Vor allem die am Abstimmungskampf beteiligten Parteien und Organisationen nehmen es mit der Genauigkeit nicht so genau. Die Grüne Partei beispielsweise hat ein Werbeplakat entworfen, auf dem deben dem Minarett ein "Nein" prangte und neben einer Rakete ein "Ja". Ein flüchtiger Blick sagt dem Betrachter: Die Grünen sagen Nein zu Minaretten und Ja zum Waffenexport, um den es am letzten Wochenende ebenfalls ging. Tatsächlich standen die Parolen für die beiden Abstimmungsvorlagen und bedeuteten genau das Gegenteil von dem was da stand. Alles unklar? Die SP legte noch einen obendrauf: Wählte man vor ein paar Tagen den falschen Bildausschnitt ener ihrer Werbebotschaften, entstand der Eindruck, die SP sei für das Minarettverbot. Tatsächlich waren sie aber dagegen, das "ja" gehört seit kurzem zum Logo der SP.

Solche Details tragen dazu bei, dass die Menschen in die Irre geführt werden und irgendwann tatsächlich keine Ahnung haben, worum es genau geht. Nur muss ich mir das nicht vorwerfen lassen, denn ich wurde gefragt und ich habe aufgrund der bis zur Stimmabgabe gesammelten Eindrücke entschieden. So einfach funktioniert unsere Demokratie. Ob die Lösung es ist, die Stimmcouverts nicht schon einen Monat vor der Abstimmung zu verschicken, oder einfach trügerische Werbekampagnen zu verbieten ist nicht meine Sache. Wie wär's mit einer Initiative?

PS: Um das noch klarzustellen: Von mir aus kann man an jeder Ecke ein Minarett aufstellen und der Ruf des Muezzin stelle ich sehr stimmungsvoll vor. Nur was ich nicht mag, ist das Verdrehen von Tatsachen und das unproportional angriffige Getue von Gewinnern - aber leider vor allem von den Verlierern.

Montag, 30. November 2009

Minarette und der Verhältnisblödsinn

Volksabstimmungen in der Schweiz erleben bei deren Durchführung die immer gleichen Phänomene: zuerst geht kaum einer hin und danach poltern die Leute, sie schämten sich für das Resultat. Vergleicht man den "Fall Minarette" mit dem "Fall Finn" stellt man bedrohliche Gemeinsamkeiten fest: Emotionale Spitzen des Protests verrücken den Blick auf die Realität.

Natürlich hat sich auch nach der Volksabstimmung über das Verbot zum Bau von Minaretten in der Schweiz eine ansehnliche Gruppe gebildet, die sich (einmal mehr) schämt in diesem Land zu leben. Über 48'000 Mitglieder zählt zum Beispiel die entsprechende Facebook-Gruppe, die sich aufgrund des Abstimmungsresultates zusammengerauft hat und entweder in der nächsten paar Monaten die Schweiz verlässt oder sich in den Schweizer Alpen verschanzt und einen eigenen Kanton gründet.

Wie schon beim verletzten Bären "Finn" im Bärengraben zu Bern, scheinen die Menschen aber den Bezug zur Realität völlig verloren zu haben. Morddrohungen gegen die Familie des Behinderten soll es gegeben haben und die Mehrheit der Statements verlangen vom eingreifenden Polizisten, er hätte doch lieber auf den Menschen geschossen, als auf den Bären. Als normal denkender Mensch fühlt man sich genötigt solche Bittsteller daran zu erinnern, dass Finn kein Kuschelbär ist, sondern ein wildes Tier und jeder von uns schon einmal eine Dummheit begangen hat, für die er nicht erschossen werden möchte. Schon mal einen Igel überfahren? Autofahrer sofort erschiessen?

Der Bezug zu den sich schämenden Schweizer gründet im Umstand, dass es am vergangenen Wochenende nur gerade um ein relativ simples Verbot gegangen ist. Nicht um die Verleumdung des Glaubens, nicht um die sofortige Ausweisung und auch nicht um Diskriminierung eines Volkes - auch wenn diese Schlagwörter in den vergangenen Wochen ermüdend oft strapaziert wurden. Gerade die Schweiz zeichnet sich gegenüber sämtlichen Ländern dieser Welt darin aus, die Integration überdurchschnittlich zu fördern. Kein Gesetz wird erlassen, ohne die Bedürfnisse sämtlicher Randgruppen nicht mindestens erörtert zu haben, kein Bau wird bewilligt, ohne dass den Gegnern eine Vielzahl an Instrumenten geboten wird um sich dagegen zu wehren.

Aber auch im gewöhnlichen Alltag wird selten aufgrund eines Namens oder der möglichen Herkunft diskriminiert. Kirchen, Schulen, Ämter, Staatstellen. Alle bemühen sich und werden in den meisten Fällen sogar gesetzliche verpflichtet ihren Teil beizutragen, um die Akzeptanz untereinander zu fördern. Das Merkblatt für den Antrag zur Krankenkassenverbilligung beispielsweise gibt es in meiner Gemeinde in 20 Sprachen, darunter albanisch, portugiesisch und indisch. Und selbst wenn man den Aufwand aus unserem Betrachtungswinkel noch als gering betrachtet, so bietet kein anderer Staat eine vergleichbare Hilfe, welche die Akzeptanz fremder Völker und deren Gewohnheiten fördert. Umgekehrt - auch das sollte man beachten - darf man als Christ in keinem einzigen muslimischen Land dieser Welt ein Kreuz aufs Dach stellen, nirgendwo bietet man deutschsprachige Formulare an, geschweige denn, würde die Nichtanpassung an irgend eine örtliche Gewohnheit tolleriert.

Ist es unter dieser Betrachtungsweise so vermessen, die Angst die ein solches Ungleichgewicht einher bringt, in einem Ja zum Verbot von Minaretten auszudrücken? Ich sehe keinen Grund, mich für das Urteil des Volkes schämen zu müssen, ich finde das völligen Verhältnisblödsinn. Es mag auf ethischer, menschlicher oder völkerrechtlicher Basis in diesem Fall ungerecht erscheinen, aber es ist erstens ein Entscheid der Mehrheit, zweitens in Anbetracht der sonstigen "Verhältnisse" unangebracht jetzt den Beleidigten zu spielen. Und drittens ist das Anstimmungsresultat Ausdruck von Ängsten, die es in ihren Grundzügen nicht zu kritisieren gilt, sondern durch tägliche Arbeit zu relativieren - bis die Volksmeinung sich allenfalls "korrigiert".

Im Falle der Anti-Minarett-Initiative setzt man bei den Verlierern offenbar nicht auf Aufklärung, sondern auf Diskriminierung der Gewinner. Wie die Morddrohungen gegen die Familie des Bärenopfers, sind Drohungen wie sie teilweise in der Facebook-Schämgruppe der Minarett-Befürworter zu lesen sind, der falsche Weg. Vielmehr sollte man sich schämen, wie man mit einer Niederlage umgeht.

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Min Arett und din Arett
Toleranz oder echte Akzeptanz?
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Bildquelle: Hochparterre Schweiz