Die Bildungsreform im Aargauer Schulsystem darf als eines der wichtigsten Projekte der letzten Jahre bezeichnet werden. Seit 12 Jahren basteln Politiker daran herum, entstanden ist eine Vorlage, die von der einen Seite als das Gelbe vom Ei, von der anderen Seite als überladener Bildungskaktus betrachtet wird. Heute erscheint neben den Gedanken zur Eingagnsstufe, und den Tagesstrukturen ein weiterer Teil der persönlichen Einschätzung eines Familienvaters, der mit drei Kindern im Haus und zwei Dutzend weiteren Kindern im Quartier zusammenlebt.
Das Bildungskleeblatt 2 - Harmonisierung der Schulstrukturen: eher NEIN
Mit dem zweiten Kleeblatt wird das bisher bekannte Schulsystem der Oberstufe völlig umgebaut. Nach vier Jahren in der Basisstufe und weiteren 4 Jahren in der Mittelstufe, gelangen die Schüler im 9. Schuljahr in die neue Oberstufe. Diese wird nicht mehr als Real-, Sekundar- und Bezirksschule geführt, sondern als Sekundarschule mit dem Niveauzusatz A (allgemeine Anforderungen), E (erweiterte Anforderungen) und P (progymnasiale Anforderungen) . Mit diesem Kleeblattblättchen greift der Kanton Aargau der nationalen Harmonisierung (Harmos) vor, überspringt quasi die eigentliche Abstimmung zur Einführung und präsentiert gleich die Umsetzung.
Das geht vielen Eltern zu weit. Die Stimmung unter den meisten Zuhörern von Podiumsdiskussionen kann als skeptisch bezeichnet werden. Wie schon beim ersten Kleeblatt kann nicht nachvollzogen werden, warum ein populäres System geändert werden muss. Hier wird man noch zu oft mit dem Argument vertröstet, es sei dringend nötig und man hinke bei jeder Pisa-Studie hinterher und alles sei veraltet. "Na und?", fragt sich unsereiner. Wir leben im weltweit best funktionierenden Umfeld, so schlimm kann das doch gar nicht sein! Dies aus der Perspektive von Menschen, die das fragliche System alle durchlaufen haben und in einer gut funktionierenden Gesellschaft leben.
Auch die Lehrerschaft rümpft die Nase, auch wenn hier die Akzeptanz grösser ist als beim ersten Kleeblatt. Wie die Beurteilung der Schüler künftig erfolgen soll, wie die Planung abläuft, wenn das Niveau auch während des Schuljahres gewechselt werden kann, will man wissen. Organisatorische Fragen, die weitgehend unbeantwortet blieben. Das System mit einer Stammklasse und verschiedenen Niveaufächern entfremde die Schüler und die wertvolle Gruppendynamik einer Schulklasse gehe verloren. Solchen Details widme man sich erst, wenn die Rahmenbedingungen gegeben seien, ist auch hier wieder zu hören. Doch für die meisten Lehrpersonen sind diese Details von grosser Bedeutung, denn sie entscheiden über das künftige Arbeitspensum und darüber, wie die Stellenbeschreibung künftig aussehen wird.
Die kantonale Wirtschaft hat eine andere Angriffsfläche gefunden. Die neuen Strukturen sollen aus der bisherigen Bezirksschule eine Elitetruppe formen und der bisherigen Sekundarschule den schulischen Weg offen halten. Der kantonale Gewerbeverband, hat sich mit fast hundertprozentiger Geschlossenheit gegen das (gesamte) Kleeblatt ausgesprochen. Sie fürchten, dass dem typischen KMU-Kanton Aargau künftig die Lehrlinge ausgehen, weil über 50 Prozent der Jugendlichen in die Schule gingen. Heute fangen im Kanton Aargau rund 75 Prozent der Schulabgänger eine Berufslehre an.
Fazit: Viele betrachten das Kleeblatt 2 (Harmonisierung der Schulstrukturen) als "voreilig", weil dem Bildungskonkordat Harmos vorgegriffen wird. Weitere Schlagwörter sind "unnötig", "am Ziel vorbei" und nicht zuletzt betrachten es viele als "zu teuer". Dem gegenüber stehen wage Versprechungen, das Bildungsniveau werde künftig viel höher, was wiederum nicht im Sinne der KMU ist. Weil sich auch im Grossen Rat, mit nur zwei Stimmen Differenz und vier Enthaltungen, nur ein Zufallsmehr für die Vorlage ausgesprochen hat, darf man bei diesem Kleeblattteil von einem sehr knappen Entscheid ausgehen. Dessen Nachteil ist, dass jede Interessengruppe es zu Dreivierteln toll findet, aber gerade "ihr" Vietel die Erwartungen nicht erfüllt - folge dessen sagt man im konservativen Aargau halt einfach Nein.
Für mich eher ein Nein. Aus meiner Sicht bringt die neue Dreigliedrigkeit keine wesentlichen Vorteile gegen über dem bisherigen System, sondern eher Nachteile und mehr Kosten.
Bisher erschienen:
Das Bildungskleeblatt 1 - Eingangsstufe
Bildungskleeblatt 3 - Tagesstrukturen
Dienstag im Goggiblog: Bildungskleeblatt 4: Der Sozialindex
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