Dienstag, 27. April 2010

Unser Datenschützer, die Spassbremse

Und schon wieder reitet der eidgenössische Datenschützer Hanspeter Thür auf dem alten Gaul namens Google herum - quasi das einzige Tätigkeitsfeld des Aargauers. Nachdem Spassbremse Thür bereits im August klar machte, dass Google Street View vom Netz zu verschwinden hat, soll nun jeglicher Sammelwut der Suchmaschine Einhalt geboten werden. Neustes "Opfer" ist die Speicherung der Präsenz von WLAN-Netzen, die Google zur Ortung von Personen verwenden will. Herr Thür hätte aber ganz wichtigere Aufgaben - halt eben auch langweiligere.

Technisch gesehen ist das vom Datenschützer getadelte Verfahren recht simpel. Das Google-Fahrzeug erkennt bei seiner Fahrt durch die hiesigen Strassen sämtliche WLANs. Unabhängig davon, ob drahtlosese Netze gesichert oder offen zugänglich sind, senden diese nämlich permanent den so genannten SSID (Service Set Identifier) aus, einen eindeutigen Netzwerknamen. Google erkennt nun, dass das Netzwerk xy sich an der Bahnhofstrasse in Zürich befindet. Hält sich ein Google-Kunde der sich orten lassen will nun in Reichweite von Netzwerk xy auf, kann Google die Position mit recht hoher Genauigkeit feststellen. Das Problem das Thür haben wird ist, dass zwar der Google-Kunde die Ortung zulässt, der WLAN-Besitzer aber nichts davon weiss, dass sein Netz für diese Ortung verwendet wird.

Bild: Hanspeter Thür, eidgenössischer Datenschützer

Eine Gefahr besteht für den WLAN-Besitzer indes keine. Es ist, als würde Google die Kioskfrau fragen, ob Herr Müller an ihrem Laden vorbei gegangen ist. Deswegen hat der Fragende aber noch längst keinen Zugriff auf persönliche Daten der Kioskfrau. Dass sich Hanspeter Thür nun wieder voll ins Zeug legt, wenn das Ziel Google heisst, hat wohl viel mehr damit zu tun, dass Google als prominentes Ziel viel mehr zur Existenzberechtigung des eidgenössischen Datenschützers beiträgt, als all die anderen Aufgaben die Thür und all seine Vorgänger seit Jahren sträflich vernachlässigen. Gerne sei hier erneut auf die etwas unspektakuläreren Fragen hingewiesen, die ich vom Datenschützer endlich bearbeitet wüsste:
  • Warum werde ich beim Gang vom Berner Hauptbahnhof zum Bundeshaus von 47 Videokameras gefilmt?
  • Warum werde ich das auch in jedem Fahrzeug des öffentlichen Verkehrs und zwar "zu meiner Sicherheit" sogar beim Nasenpopeln?
  • Warum muss ich bei der Onlinebestellung eines SBB-Tickets Geburtsdatum und Wohnadresse angeben?
  • Warum plaudert meine Krankenkasse mit anderen Versicherungen über meinen Gesundheitszustand?
  • Warum dürfen Krankenkassen bei Inspektionen auf Spitalabteilungen Patientenblätter fotokopieren?
  • Warum landet meine Telefonnummer automatisch im Telefonbuch ohne dass ich das explizit verlange?
  • Warum darf jedes blöde Umfrage-Institut meine Telefonnummer missbrauchen?
  • Warum darf diese Nummer weitergegeben werden, nur weil einer dummerweise mal zwei Fragen geantwortet hat?
  • Wie wäre es, wenn der Briefträger für sich behalten würde, wem er welchen Brief zustellt?
  • Oder wenigstens das Verdeck seines Anhängers regelmässig brauchen würde?
  • Aus welchem Grund muss die Frau am Postschalter in aller Deutlichkeit in die Halle posaunen, ob ich auch auf 5'689,65 gekommen bin?
  • Oder ob ich noch Bargeld brauche?
  • Warum wird dem Schalterpersonal automatisch mein Kontostand angezeigt? Was geht die das an?
  • Warum kann es passieren, dass meine Bank irrtümlich meine Kontodaten nicht Schreddert?
  • Weshalb bewahrt mein alter Areitgeber noch immer Daten von mir auf, obwohl ich da seit fünf Jahren nicht mehr angestellt bin?
  • Ab wann werden Politiker verpflichtet, nicht aus Faulheit sensible Dokumente einfach in den Papierkorb zu werfen?
  • Warum wird bei einer Auszahlung der Versicherung umgehend das Steueramt informiert, dem ich nun ein Haufen Zaster abdrücken muss, obwohl das Geld längst in einer anderen Säule liegt?
  • Was geht ein Wettbewerbsveranstalter mein ungefähres Einkommen an, das ich angeben muss, sonst kann ich die Ultra-Steile Musikanlage nicht gewinnen?
  • Warum wird das Argument "über den Wettbewerb wird keine Korrespondenz geführt" erlaubt, wo es doch nur dazu dient zu verschleiern, dass der Preis gar nicht vergeben wurde?
  • Warum muss ich beim Eintritt in ein Fussballstadion Name und Adresse angeben?
  • Warum darf Jeder und Jede ungefragt Telefonanrufe aufzeichnen ohne das Gegenüber vorgängig zu informieren?
  • Welches ist der einleuchtenste Grund dafür, dass der Fingerabdruck im Biometrischen Pass zentral gespeichert wird?
  • Warum gibt es im Internet immer noch Hunderte von Abo-Fallen-Seiten?
  • Wann werden Geundheitsdecken-und Matratzen-Fahrten ins Ausland endlich der Garaus gemacht?
Herr Thür. Mir ist es sowas von egal, wenn Google weiss, wie mein Heimnetztwerk heisst und das Handy von Herr Müller dadurch geortet werden kann. Mir wäre es viel lieber, wenn Sie sich endlich in den Dienst der Bevölkerung stellten, als sich ständig mit dem Kampf gegen Google oder Facebook zu profilieren.

TV-Tipp: Kassensturz, SF1, 21.05 Uhr zum Thema "Datenfalle Facebook"

3 Kommentare:

David hat gesagt…

Ich denke nicht, dass der Datenschützer diese Themen vernachlässigt. Praktisch zu allem gibt es ein Dossier auf seiner Website: http://www.edoeb.admin.ch/themen/00794/index.html

Das Problem ist die Aufmerksamkeitsökonomie. Wie schafft man es, dass die Leute und die Medien sich dafür interessieren? Wenn Thür eine Medienmitteilung zum Thema Krankenkasse macht, interessiert das kein Schwein. Thür hofft, dass er einen Teil der Aufmerksamkeit, die er anscheinend mit dem Thema Google leicht generieren kann, auf die wichtigeren Themen ablenken kann. Wenn ihm das gelingt, macht er seinen Job gut.

TheRaceFace hat gesagt…

also in den zürcher trams darfst du ruhig weiter popeln, imfall. da werden die daten auf einem datenträger im tram gespeichert und alle -ich glaub- 24h überschrieben.

der datenträger wird nur im falle eines verdachts -nicht bei verdacht von goggischem nasenpopeln- gesichert und ausgewertet. dies geschieht bei vandalenakten oder überfällen, ansonsten wird da rein gar nix angeschaut!

Denis Simonet hat gesagt…

Ich habe diesen Beitrag in meinem Blog kommentiert: http://www.denissimonet.ch/2010/04/27/unser-parlament-die-vernunftbremse/

Die Fragen sind super, jedoch ist die Problemanalyse meiner Meinung nach falsch. Der EDÖB ist nicht das Problem.