In einigen Kommentaren hier im Blog, aber auch via Facebook, wurde mir nach dem gestrigen Artikel in unsanften Worten nahegelegt die Klappe zu halten, denn ich hätte keine Ahnung. Was aus Frust geschah und nur eine Art des Umgangs mit der Niederlage sein könnte, gibt mir dennoch Anlass, darüber nachzudenken. Habe ich eine Ahnung? Was genau ist ein Minarett? Was bedeutet «Shari'a» und was war noch mal mit diesem Mekka? Nach nur kurzer Zeit steht fest, das Stimmvolk hatte tatsächlich schlicht keine Ahnung. Bezüglich Vorlagentext, Inhalt der Initiative, Grundwissen, Auswirkungen und Rechtsverbindlichkeit. Doch das ist nicht deren Schuld.
Ein paar Beispiele: Ein Leser behauptet, dass Gebetsrufe durch die Annahme der Initiative verboten worden sind. Das stimmt so nicht. Grundsätzlich wurden diese durch das Abstimmungsresultat "nur" zusätzlich verhindert - verboten waren sie davor schon. Immer wieder werden Kirchentürme mit Minaretten verglichen. Genau betrachtet ist es aber das Kruzifix, das der Bedeutung eines Minaretts am ehesten entspricht. Weiter sind katholische Gotteshäuser fast überall auf der Welt erlaubt - Jesuskreuze dagegen werden in nur ganz wenigen muslimischen Staaten toleriert - weiss kaum jemand. Ebenfalls beachtet werden sollte, dass das Verbot von Minaretten nicht als «Rassismus in seiner reinsten Form» bezeichnet werden darf, wie das beispielsweise der Arzt und Ex-Mister Schweiz Adel Abdel-Latif gegenüber dem Tagesanzeiger tat- der Islam ist nämlich keine Rasse und auch nicht an eine solche gebunden.
Spitzfindigkeiten? Mag sein. Es sind nur einige von vielen Details, die bei der Berichterstattung und der sich daraus ergebenden Meinung nicht so genau genommen wurden. Irgendwer sagte mal irgendwo, Minarette seien wie Raketen. Ein anderer behauptete, alles um das Minarett gehöre dem Islam und wenn man ja sage, sei die Schweiz islamisch. Wortfetzen, zugegebenermassen aus dem Zusammenhang gerissen und meistens so nicht richtig - aber sie beeinflussen die Meinung der Bürger.

Ich kann mir gut vorstellen, dass viele Menschen das Abstimmungsmaterial vor einem Monat ausgepackt und die Frage gelesen haben. Sie dachten sich: «Ja da habe ich was davon gehört, Raketen und so - will ich nicht, also ja zum Verbot» - Verflucht sei die Demokratie, bei der auch Unwissende gefragt werden!
Diese Art von Fehlinformation - um nicht zu sagen Volksmanipulation - kommen dabei nicht nur von den Medien für die Quoten wichtiger sind als Aufklärung. Vor allem die am Abstimmungskampf beteiligten Parteien und Organisationen nehmen es mit der Genauigkeit nicht so genau. Die Grüne Partei beispielsweise hat ein Werbeplakat entworfen, auf dem deben dem Minarett ein "Nein" prangte und neben einer Rakete ein "Ja". Ein flüchtiger Blick sagt dem Betrachter: Die Grünen sagen Nein zu Minaretten und Ja zum Waffenexport, um den es am letzten Wochenende ebenfalls ging. Tatsächlich standen die Parolen für die beiden Abstimmungsvorlagen und bedeuteten genau das Gegenteil von dem was da stand. Alles unklar? Die SP legte noch einen obendrauf:

Wählte man vor ein paar Tagen den falschen Bildausschnitt ener ihrer Werbebotschaften, entstand der Eindruck, die SP sei
für das Minarettverbot. Tatsächlich waren sie aber dagegen, das "ja" gehört seit kurzem zum Logo der SP.
Solche Details tragen dazu bei, dass die Menschen in die Irre geführt werden und irgendwann tatsächlich keine Ahnung haben, worum es genau geht. Nur muss ich mir das nicht vorwerfen lassen, denn ich wurde gefragt und ich habe aufgrund der bis zur Stimmabgabe gesammelten Eindrücke entschieden. So einfach funktioniert unsere Demokratie. Ob die Lösung es ist, die Stimmcouverts nicht schon einen Monat vor der Abstimmung zu verschicken, oder einfach trügerische Werbekampagnen zu verbieten ist nicht meine Sache. Wie wär's mit einer Initiative?
PS: Um das noch klarzustellen: Von mir aus kann man an jeder Ecke ein Minarett aufstellen und der Ruf des Muezzin stelle ich sehr stimmungsvoll vor. Nur was ich nicht mag, ist das Verdrehen von Tatsachen und das unproportional angriffige Getue von Gewinnern - aber leider vor allem von den Verlierern.