Dienstag, 27. Oktober 2009

Aarau ist ein Bauernhof

Nur fehlen die Eier.

Anmerkung: Dieser Artikel stammt aus dem FCA-Forum und erscheint hier noch einmal für meine persönliche Archivierung. Der Artikel entstand nach der Aussprache zwischen dem FC Aarau und seinen Fans am 23. Oktober 2009 und der anschliessenden Niederlage gegen Bellinzona (1:2) tags darauf, sowie aus zahlreichen Gesprächen mit aktuellen und ehemaligen Angestellten des FC Aarau. Es ist der Presse nicht erlaubt ohne Rücksprache mit dem Autor Informationen aus diesem Artikel zu verwerten, insbesondere nicht einzelne Passagen aus dem Zusammenhang zu reissen.

Die Schweiz kennt als demokratisches Land die sogenannte Gewaltentrennung. Die Legislative, die Exekutive und die Judikative. Dieses System bezweckt, dass Einzelnen nicht zu viel Macht übertragen wird, denn eine Person kann nicht in mehr als eine der drei Funktionen gewählt werden. Dies hat vereinfacht ausgedrückt zur Folge, dass ein Bundesrat nicht gleichzeitig Ständerat und Bundesrichter sein kann. Als vierte Macht wird die Wirtschaft betrachtet, sprich die Geldgeber und Investoren, die als Lobbyisten im Bundeshaus zugelassen sind und die Interessen der Grossunternehmungen gegenüber der Politik vertreten.

Im Fussballbusiness ist das nicht viel anders. Auf Vereinsebene stehen die vereinigten Aktionäre als oberstes Organ (Legislative), der Verwaltungsrat führt die Aufträge der Generalversammlung aus (Exekutive), und der Sportausschuss beurteilt die Situation im weitesten Sinne als Judikative. Die vierte Macht sind die Sponsoren.

Werfen wir an dieser Stelle einen Blick auf die Namenslisten dieser vier Mächte, wie sie sich im FC Aarau präsentieren, begegnet man den Namen immer wieder den gleichen Namen. Sie sind Hauptaktionäre, Inhaber der Stimmenmehrheit an der GV, Verwaltungsrat, Geschäftsleitung, Sportausschuss, und Hauptsponsoren. Fredy Schmid und Fritz Hächler. Diese Konstellation war durchaus gewollt, auch von mir, denn sie brachte vor zwei Jahren die Rettung.

Dieser Artikel zielt nicht darauf ab, das Engagement der beiden Herren infrage zu stellen, oder deren finanzielle Kraftleistungen zu schmälern, die den FC Aarau vor dem Konkurs gerettet haben. Es ist viel mehr ein Hinweis darauf, dass der einstige Segen heute der Kern des Problems geworden ist. Im FC Aarau gibt es keine klaren Strukturen, keine Rangordnung, keine Kontrollmechanismen die unabhängig voneinander funktionieren. Ein Beispiel: An der Generalversammlung wählen sich einzelne Hauptaktionäre selbst in den Vorstand der Gesellschaft, entscheiden dort, sich selber als Sportchef einzusetzen, scheitern aber in dieser Funktion und entscheiden letztlich, sich im Amt zu belassen, weil sie selber als Sportausschuss, Mehrheitsaktionäre und Hauptsponsoren nichts dagegen einzuwenden haben. Man muss kein Prophet sein, um bei dieser Konstellation zu erkennen, dass nicht immer neutral beurteilt wird.

Nun kann man diesem Missstand entgegensetzen, dass sich für jede dieser tragenden Positionen kaum Personal finden lässt. Als schwierigste Suche dürfte sich erweisen, Geldgeber von einem Engagement zu überzeugen. Am besten Geldgeber, die keinen Anspruch auf operative Positionen erheben. Womit wir bereits beim zweiten Problem sind: woher nimmt man eine Exekutive, die das Budget nicht belastet? Naheliegend, dass sich diese aus Menschen rekrutieren lässt, die sich ohnehin dem FC Aarau finanziell verpflichtet fühlen. Da haben wir ihn, den Rattenschwanz und er wird länger und länger.

Genau so wie Missstände in erfolgreichen Zeiten unbemerkt bleiben oder mindestens kaschiert werden können, genau so kommen sie beim Misserfolg gnadenlos zum Vorschein. Meistens ist es dann aber schon zu spät, denn die Strukuren sind schon derart festgefahren und beruhen auf dermassen vielen Angewiesenheiten, dass sie kaum mehr auseinander zu bringen sind. Wirft Verwaltungsrat Hächler den Bettel hin, sind wir gleichzeitig Verwaltungsrat, Hauptaktionär und Sponsor los. Im Fall des FC Aarau lege ich meine Hand ins Feuer, dass nichts vorsätzlich getan wird, um dem Verein zu schaden. Allerdings bindet sich der FCA mit dieser Konstellation die eigenen Hände, denn sollte der Sportchef als das kränkelnde Glied eruiert werden, wer soll ihn dann entlassen? Es sich selbst?


Den Machthabern Unfähigkeit vorzuwerfen ist aber auch nicht richtig. Hörte man den Herren Schmid, Hächler, Geissberger und Widmer an der Aussprache mit den Fans zu, brachten alle vier valable Argumentationen hervor, wenn es zum Beispiel um die gescheiterten Verhandlungen mit Rychard Komornicki ging, oder um die Weiterverpflichtung von Frédéric Page ging. In Sachen Transfers wurde die Taktik gewählt Geld, sparen zu wollen und man hörte es mehrfach: hätte man gewusst wie’s rauskommt, man hätte sich anders verhalten.

Im Moment ist die Situation im FC Aarau die, dass der Ärger der Fans sich auf einige wenige Personen beschränkt, deren Abschuss aber gleichzeitig zur Folge hätte, dass der Club zahlungsunfähig würde. Die Lösungsansätze sind aber nicht Personalveränderungen, Beschimpfungen oder andere drastische Massnahmen, obwohl ich die Gefühlslage von jedem nachvollziehen kann, der nach der Niederlage gegen Bellinzona im Abstieg die rettende Lösung gesehen hatte.

Ich will das Kind beim Namen nennen: Der FC Aarau braucht eine Strukturbereinigung. Fredy Schmid und Fritz Hächler können nicht gleichzeitig Chef und Geldgeber sein und im Sportausschuss sitzen und sich gegenseitig nicht kontrollieren. Es braucht eine klare Hierarchie mit genau definierten Verantwortlichkeiten und Kompetenzen. Versagt die Exekutive wird sie wegen Unfähigkeit entlassen und nicht aufgrund einer finanziellen Abhängigkeit behalten. So Verdankenswert das Engagement unseres Verwaltungsrates ist, so sehr ich die Arbeit von Fredy Schmid und Fritz Hächler schätze und so sehr die vordergründig sportlichen Probleme gelöst werden müssen. Auf die nächste GV hin muss man über die Bücher und den FCA von Grund auf neu organisieren. Die Situation heute ist so selbstzerfleischend, dass sich mögliche Sponsoren mit Ausrufezeichen vom FC Aarau distanzieren. Spricht man mit einfachen Angestellten des Vereins hört man bei jedem einzelnen eine Unzufriedenheit heraus, die nichts mit den sportlichen Resultaten zu tun hat. Im Allgemeinen lässt sich das Ganze zusammenfassen, wie es Komornicki zuvor in fast nervtötender Wiederholungsrate zu Protokoll gab: Die Wertschätzung ist weg. Das Familiengefüge, für das der FC Aarau über Jahrzehnte bekannt war bröckelt nicht nur, der Fels ist im Begriff zu stürzen. Hier wird ein Danke vonseiten der Chefs vermisst, da ein offenes Ohr für kleine und grosse Anliegen. Statt einer Selbstbestätigung durch den eigenen Verwaltungsrat, hätte man sich an der Basis ein offenes Eingeständnis von Fredy Schmid und Fritz Hächler erwartet, dass verheerende Fehler passiert sind, man dazu stehe und man sich jetzt gopferteckel zusammenreissen müsse, damit alles wieder gut kommt.

Auch wenn die beiden Namen jetzt oft genannt habe, ich unterstütze die Männer, die unseren FC Aarau gerettet haben und täglich ihr Bestes geben, und hoffe sie werden ihr 60%-Pensum auf 220% hinaufschrauben, denn das wird nötig sein. Der sportliche Misserfolg ist nur das Tüpfelchen auf der Spitze des Eisbergs. Die Probleme liegen tief verankert und kommen ob des Klimawandels schleichend, aber unerbittlich zu Tage. Leute die helfen wollen sind zur Genüge da. Können diese jetzt noch unterschieden werden von denen, die nur dreinschwafeln (wie ich) und werden diese nicht in erster Linie aus jener Gruppe rekrutiert, die das Portemonnaie öffnen, hat die Familie FC Aarau eine ganz passable Chance. Dazu sollte man untereinander die Tugend des familiären Zusammenseins wieder aufleben lassen – auch so eine Verantwortlichkeit des Chefs. Es braucht freilich auch den Willen aller sonst noch Beteiligten, die den FCA lieben – das Herumgemotze ist stellenweise widerlich! Macht endlich diese Strukturbereinigung und macht es irgendwie möglich, dass die familiäre Wärme zurückkehrt - und selbst der sportliche Abstieg, mit dem ich seit gestern fest rechne, würde ich verkraften.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Gratulation, es ist exakt so, wie Du es schreibst!