38'500 Fans. Jeder Einzelne ausgerüstet ist mit einer Schweizerfahne, und jeder freute sich auf das grossartigste aller Spiele. Um das WM-Qualifikations-"Final" zwischen der Schweiz und Israel war ein dermassen grosser Rummel entstanden, dass es wichtiger zu sein schien, Herr und Frau Bünzli ins Stadion zu kriegen, als am Spieltag die beiden wesentlichen Dinge beim Fussball nicht zu vergessen: Spass haben und Stimmung machen.
Tote Hose auf dem Spielfeld, wo nervös wirkende Starfussballer versuchten 90 Minuten ihres Lebens so schadlos wie's nur geht zu überstehen. Tote Hose aber auch auf den Rängen und zwar während fast des ganzen Spiels. Das merkten auch die Leute von SF2 und beschränkten das Senden von Stimmungsbildern mehrheitlich auf Nahaufnahmen weiblicher Fans mit bemalten Backen oder junger Männer mit lustigen Hüten. Die übertrieben synthetische Inszenierung des Schweizer Farbfernsehens fand in einer Liveschaltungin der Sendung "10 vor 10" ihren Höhepunkt, als ein in Schweizer Stadien bislang ungesehener Reporter zwei Zuschauer nach ihrer Gefühlsfrage befragte. Fans, die aus lauter Begeisterung kaum ihre Hände aus den Hosentaschen brachten. Lustig auch der Moment, als der selbe Reporter behauptete, jetzt noch (eine Viertelstunde nach Spielschluss) niemend nach Hause gehen wolle, so gross sei die Begeisterung, während man im Hintergrund die leeren Ränge des Sankt Jakob Stadions sehen konnte.
Doch warum sprang gestern der von allen Seiten herbeigeredete emotionale Funke weder von den Fans auf die Spieler noch umgekehrt? Unser Wortschatz kennt dafür ein passendes Wort:
Modefans
Jetzt bitte nicht im Duden nachschlagen, denn dort steht, dass es sich bei einem Modefan um jemanden handelt, der begeistert eine Mode mitmacht. Doch von Begeisterung sah man nicht sehr viel, beim Spiel der Spiele, bei der letzten Chance sich für die WM zu qualifitieren - was zwar ständig behauptet wurde, aber schlicht nicht stimmte, wäre dieser Chance nämlich noch jene des Barragespiels gefolgt . Ein Bekannter von mir, angesprochen auf die miese Stimmung im Stadion, meinte dazu: "Ich? Stimmung machen? Dafür haben wir doch Fans" sagte er. Dann wollte ich wissen, ob er denn kein Fan sei und er sagte "doch, aber weisch, halt nur wenn es um etwas geht".
Und so dürfte ein Grossteil der "Fans" die gestern im grössten Stadion der Schweiz für einen Umsatz von vier bis fünf Millionen Franken gesorgt haben, zu jener Bevölkerungsschicht gehören, die nicht auswendig drei Spielernamen aufzählen kann. Schlimmer noch: Sie sassen da, mit Tickets die sie gewonnen hatten, per Zufall ergattert oder durch einen Sponsoren zugeschickt bekamen und füllten das Stadion einerseits mit quälender Ruhe und andererseits mit dem Glauben, der Typ nebenan könne ja für Stimmung sorgen. Die echten Fans waren natürlich auch da, nur einfach mit dem Pech, nicht beisammen sitzen zu können. Ein Blick in die Facebook-Historie meiner Fussball-Freunde sagt alles: In einem Dutzend Statusmeldungen über die Sitzplatznummer, wurden ungefähr ebenso viele Sektoren angegeben. Wo sich tatsächliche Fans auf diese Weise mit Modefans zu vermischen haben, kann schlicht keine Stimmung aufkommen.
Schade um das tolle Fussballfest, schade um die Begeisterung, die in den nächsten Wochen und Monaten vermutlich grösser sein wird, als gestern im Stadion. Und gut zu wissen, dass in Südafrika wieder Fans dabei sein werden, die schon in Luxemburg, Israel und Griechenland für Stimmung sorgten und denen Herr und Frau Bünzli mit Winterthur-Tickets den Platz nicht streitig machen werden. In diesem Sinne: Auf nach Afrika!
1 Kommentar:
Da wäre ich mir nicht so sicher, dass an der WM wieder die "echten" Fans dabei sein werden.
Der Zufall wollte es, dass beim WM-Spiel Schweiz-Togo eine Reihe hinter mir Gott sei Dank ein eingefleischter Südkurve-Fan stand. Wir machten so viel Wind und gaben uns wegen Gygax so viel Saures, dass sich all die Bäggli-Schminker rundherum verwundert die Augen rieben. Ganz im Sinn: Aber das ist doch jetzt ein Fussballfest?!
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